4.1.3
Grundsätzliches zur Leistungsfähigkeit
des deutschen Imperfektes
Will man die dem
Deutschen teilweise sehr subtil erscheinenden Differenzierungen
des Französischen verstehen, dann macht es
vielleicht Sinn, über die Leistungsfähigkeit
des deutschen Imperfektes nachzudenken, weil das
Französische genau an dieser Stelle schärfer
differenziert. Schauen wir uns einmal diese zwei
Sätze an.
Beispiel
a) Er trank ein Bier, rauchte ein Zigarette und las eine Zeitung.
b) Er kam, sah und stiftete Ärger.
Wir haben beide Male das Imperfekt, die beschriebenen
Handlungen unterscheiden sich aber fundamental.
Unser Vorverständnis des Alltags lässt
uns a) so verstehen, dass er ein Bier trank, gleichzeitig
eine Zigarette rauchte und gleichzeitig
eine Zeitung las. Beim zweiten Satz wissen wir,
dass Julius Cäsar irgendwo hingegangen ist,
wo er nichts verloren hatte, sich danach
umgeschaut hat und danach
jenes berühmte halbstarke Gebaren an den Tag
legte. Das Imperfekt drückt also sowohl die
Gleichzeitigkeit von Handlungen aus, wie auch die
Aufeinanderfolge von Handlungen. Das Französische
und die anderen romanischen Sprachen verwenden das
imparfait, wenn
die Simultanität von Handlungen ausgedrückt
werden soll und das passé
composé oder das
passé simple, wenn ausgedrückt werden
soll, dass die Handlungen aufeinander folgten. Es
ist im Französischen also möglich, allein
durch die Wahl einer entsprechenden Zeit eine Handlung
in eine andere einzubetten, was im Deutschen nicht
möglich ist und durch Konjunktionen oder adverbiale
Bestimmungen geschehen muss.
Normalerweise ist das nie ein Problem, weil unsere
Alltagserfahrung uns darüber informiert, was
gemeint ist. Wir können aber auch Sätze
konstruieren, die unklar sind.
Beispiel
Er trank ein Bier, aß eine Suppe, zahlte und ging.
In diesem Fall ist es unklar, ob er er zuerst ein
Bier getrunken und dann eine Suppe gegessen hat,
oder ob er beides gleichzeitig tat. Unser Verständnis
des Alltags sagt uns lediglich, dass er am Schluss
zahlte und ging. Man kann zuerst ein Bier trinken
und dann eine Suppe essen, man kann dies aber
auch gleichzeitig tun. Im Französischen
würde
man durch die geeignete Zeit die Verhältnisse
klären. Wir werden an späterer Stelle
darauf zurück kommen, weisen aber nochmal
darauf hin, dass es sich nicht um eine philologische
Spitzfindigkeit handelt. Diese Unterscheidung
macht das pralle, volle Leben. Auf die anderen
Unterschiede werden wir an später
eingehen und dann auch die Unterschiede deutlicher
herausarbeiten. Wir werden uns jetzt erstmal
etwas ganz einfachem widmen, nämlich dem
schlichten Präsens, das im
Deutschen und Französischen weitgehend gleich
verwendet wird. Wenn wir das Präsens der
Verben bilden können, können wir auch
einfache Sätze bilden, und das ist ja dann
schon mal was.