Charles Baudelaire, L'Albatros

Das Gedicht L' Albatros stammt aus dem Gedichtzyklus Les Fleurs du Mal. Es ist wohl das berühmteste Gedicht Baudelaires und wohl eines der berühmtesten Gedichte der französischen Literatur überhaupt. Da Gedichte, Märchen, Romane in der Regel nur dann diesen Bekanntheitsgrad erreichen, wenn sie sehr vielen Leuten spontan "einleuchten", kann man davon ausgehen, dass dieses Gedicht sehr vielen Leuten einleuchtet. Wenn es also am Schluss heißt

der Dichter ähnelt diesem Prinz der Wolken
der dem Sturme trotzt und den Bogenschützen verlacht

dann ist der Begriff Dichter zu erweitern, denn offensichtlich fühlen sich nicht nur Dichter angesprochen. Offensichtlich haben sehr viele Leute den Eindruck, dass jedes Denken, Fühlen und Wollen, dass die Trivialität des Alltags zu transzendieren sucht, in eben diesem Alltag durchaus störend sein kann. Das Gedicht macht also objektiv eine negative Aussage, beschreibt die Welt als einen Raum der geistigen Enge. Der Bekanntheitsgrad des Gedichtes zeigt aber wiederum das genaue Gegenteil. Es gibt sehr viele Leute, die sich nicht in diese enge Welt pressen lassen und so gesehen ist auch dieses, düstere Gedicht, "a song of hope".





Souvent, pour s'amuser, les hommes d'équipage
Prennent des albatros, vastes oiseaux des mers,
Qui suivent, indolents compagnons de voyage,
Le navire glissant sur les gouffres amers.
Oft, nur zum Vergnügen, fangen die Männer der Mannschaft
die Albatrosse, große Vögel des Meeres
die als träge Kameraden dem Schiff folgen
das durch die bitteren Abgründe gleitet

A peine les ont-ils déposés sur les planches,
Que ces rois de l'azur, maladroits et honteux,
Laissent piteusement leurs grandes ailes blanches
Comme des avirons traîner à coté d'eux.
Kaum haben sie sie auf die Planken gesetzt
lassen diese Könige des blauen Himmels,
ungeschickt und verschämt wie Ruder seitwärts
ihre großen, weißen Flügel hängen

Ce voyageur ailé, comme il est gauche et veule !
Lui, naguère si beau, qu'il est comique et laid !
L'un agace son bec avec un brûle-gueule,
L'autre mime, en boitant, l'infirme qui volait !
dieser beflügelte Reisende, wie linkisch ist er, wie schwach, er
der gerade noch so schön, wie komisch jetzt und häßlich
der eine reizt mit einer Pfeife seinen Schnabel
ein anderer ahmt ihn, der einst flog und nun gebrechlich ist, hinkend nach

Le Poète est semblable au prince des nuées
Qui hante la tempête et se rit de l'archer ;
Exilé sur le sol au milieu des huées,
Ses ailes de géant l'empêchent de marcher.
der Dichter ähnelt diesem Prinz der Wolken
der dem Sturme trotzt und den Bogenschützen verlacht
ausgesetzt auf dem Boden inmitten des Spotts
hindern ihn seine mächtige Schwingen zu gehen


Vokabular
l' equipage = die Mannschaft
vaste = groß, weit, weiträumig
suivre = folgen
le navire = das Schiff
le gouffre = der Abgrund
la planche = die Planke, das Brett
maladroit = ungeschickt
honteux = verschämt
l' aile = der Flügel
aile = beflügelt
naguère = früher
laid = häßlich
agacer = ärgern, nerven
semblable = ähnlich
les nuées = die Wolken
boiter = hinken
infirme = gebrechlich
mimer = nachäffen
hanter = heimsuchen, immer wieder besuchen
la tempête = das Gewitter
empêcher = hindern



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