Hinsichtlich seiner
Funktion ist der deutsche Konjunktiv in der indirekten
Rede und in Bedingungsätzen ein halbwegs kohärentes
System, allerdings gilt dies nicht, was die zu verwendenden
Formen angeht. Verben, Konjunktionen, Redewendungen
der Unsicherheit, Furcht, Angst, Hoffnung erzwingen
im Deutschen nicht den Konjunktiv. Es gibt Beispiele,
wo der Konjunktiv II in diesem Zusammenhang auftaucht,
aber dies dürfte eher durch die Tatsache bedingt
sein, dass seine Funktion Irrealität auszudrücken,
auf andere Funktionen ausgedehnt wurde. Es gibt
Beispiele, wo der Konjunktiv I Unsicherheit ausdrückt,
aber generell hat er diese Funktion nicht. Der deutsche
Konjunktiv ist also sowohl in Bezug auf seine Verwendung
wie auch hinsichtlich seiner Bildung sehr instabil,
das heißt, dass auch Menschen, die Deutsch
als Muttersprache haben, ihn sehr unterschiedlich
einsetzen.
Der französische subjonctif ist zwar nicht
so schlüssig, wie das entsprechende Pendant
der anderen romanischen Sprachen, bedingt wohl auch
durch den langsamen Tod des subjonctif
imparfait, ist aber ein stabiles System.
Der französische subjonctif
findet, in krassem Gegensatz zum Spanischen oder
Italienischen, keine Verwendung bei Bedingungssätzen. Er
wird aussschließlich verwendet im Zusammenhang
mit Verben,
Konjunktionen, Ausdrücken,
die Hoffnung, Furcht,
Unsicherheit ausdrücken.
Der deutsche Konjunktiv beschreibt in seiner Grundfunktion,
die dann erweitert wurde, irreale Ereignisse, Ereignisse,
die nicht eingetreten sind. Beim deutschen Konjunktiv
geht es primär um die Kennzeichnung von Realität
/ Irrealität. Der subjonctif
beschreibt eine subjektive Haltung der Realität
gegenüber. Im Ausdruck der Realität /
Irrealität einerseits und der subjektiven Bewertung
andererseits haben wir eine Schnittmenge. Es geht
aber im Französischen eher darum, dass der
Sprecher subjektiv einen Vorgang als real oder irreal
einschätzt. Im Deutschen geht es aber primär
um die Frage, ob der Vorgang objektiv real oder
irreal ist.
Auch in einem Bedingungssatz wird die Realität
nicht subjektiv bewertet, sondern lediglich auf
die logischen Konsequenzen hingewiesen, die sich
ergeben, je nachdem ob eine Bedingung real vorliegt
oder nicht, die Einschätzung des Berichtenden
der Realität gegenüber ist unerheblich,
er stellt lediglich einen logischen Zusammenhang
her. Das Deutsche verwendet in Bedingungssätzen
den Konjunktiv, das Französische, in krassem
Gegensatz zum Spanischen und Italienischen, den
indicatif.