Wenn wir ein Ereignis beschreiben, das in der Gegenwart
gewünscht, befürchtet, erhofft wird, dann
steht im Deutschen, im Gegensatz zum Französischen
und allen anderen romanischen Sprachen, der Indikativ.
(hoffen ist diesbezüglich eine Ausnahme, hier
konstruiert auch das Französische mit dem Indikativ,
in krassem Gegensatz etwa zum Spanischen.)
Beispiel
Ich hoffe, dass er kommt.
Er sagt es dir, damit du es weißt.
Ich fürchte, dass er krank ist.
Wird ein Ereignis beschrieben, das in der Vergangenheit
gewünscht, befürchtet, erhofft wurde,
dann kann auch im Deutschen der Konjunktiv II stehen.
Ob er verwendet wird oder nicht, hängt wohl
vom Verb ab, ob der Konjunktiv II dem Sprecher bekannt
ist oder nicht, ob er ihn als gestelzt empfindet
oder nicht. Man könnte vermuten, dass zwischen
einer Situation, in der sich das gefürchtete,
erhoffte Ereignis realisiert hat und einer Situation,
in der sich das befürchtete, erhoffte Ereignis
nicht realisiert hat, unterschieden wird. Tatsächlich
ist dem aber nicht so. Der Konjunktiv II kann auch
verwendet werden, wenn sich das Ereignis realisiert
hat, also eben keine Irrealität vorliegt. Bei
einer Zuspitzung der Fragestellung, kann man also
feststellen, dass auch der deutsche Konjunktiv,
ganz wie in den romanischen Sprachen, den subjektiven
Charakter der Schilderung der Ereignisse zum Ausdruck
bringt und zwar nicht nur in der indirekten Rede.
Das Ereignis hat sich realisiert
Ich hoffte, dass er käme, und tatsächlich kam er dann auch.
Ich hoffte, dass er kommen würde, und tatsächlich kam er dann auch.*
Ich hoffte, dass er kommt, und tatsächlich kam er dann auch.
Ich wünschte mir, dass wir mehr Geld hätten, und prompt
haben wir im Lotto gewonnen.
Ich wünschte mir, dass wir mehr Geld haben würden, und
prompt haben wir im Lotto gewonnen.
*
* Das würden kollidiert mit der Wiedergabe
der Zeiten in der consecutio temporum, der Zeitenfolge,
davon später. Kurz: Der Satz ist doppeldeutig.
Es kann ein Ersatz für einen schwerfälligen
Konjunktiv II sein, aber auch aus der Sicht der
Vergangenheit auf Zukünftiges verweisen. Man
vergleiche:
Ich hoffte, dass er kommen würde, aber er war nicht da. => Beschreibung der Nichtrealisierung des Ereignisses.
Ich hoffte, dass er kommen würde, und tatsächlich kam er dann auch. => Beschreibung eines zukünftigen Vorganges aus der Sicht der Vergangenheit.
Wir sehen also, dass der deutsche Konjunktiv, wie
der französische subjonctif, die Tatsache
in den Vordergrund stellt, dass die Wirklichkeit
subjektiv bewertet wird, weil ein Ereignis erwünscht,
befürchtet, angezweifelt wird. Wenn man
aber immer wieder liest, dass der Konjunktiv
II im Deutschen Irrealität ausdrückt,
so ist dies offensichtlich falsch, entspricht
nicht dem tatsächlichen
Sprachgebrauch. Nicht die Irrealität ist entscheidend,
sondern, wie im Französischen auch, die subjektive
Einstellung. Das Deutsche hat es hier nicht zu
einem geschlossenen System gebracht, weil die
chaotische Morphologie dem entgegen stand, ansatzweise
ist es aber vorhanden, zumindest in der Vergangenheit.
In der Gegenwart konstruiert das Deutsche allerdings
nie mit einem Konjunktiv, in krassem Gegensatz
zum Französischen.
Ich wünsche mir, dass er kommt.
nicht: Ich wünsche mir, dass er käme.
aber
Ich wünschte mir, dass er käme (und er
kam tatsächlich).
nicht: Ich wünschte mir, dass er kam.