Handlungen, die sich gewohnheitsmäßig wiederholt haben, stehen im Französischen im Imperfekt. Die Frage die sich jetzt natürlich stellt ist, was eine gewohnheitsmäßige Wiederholung von einer anderen Wiederholung unterscheidet.
Beispiele
a) Er hat mich denselben Mist schon zehnmal gefragt.
b) Immer wenn sie zur Tür hereinkam, fühlte er, wie sein Herz zu pochen begann.
Bei a) handelt es sich um einen abgeschlossenen
Vorgang, der Vorgang wird als Einheit aufgefasst.
Bei b) wird die Handlung nicht als ein einziger
Vorgang gesehen, sondern als eine Kette aufeinanderfolgender
Vorgänge. Konjunktionen oder Adverbien wie
"immer wenn", "jeden Morgen", "jedesmal" etc., sind
ein Indiz dafür, dass der Vorgang als eine
Kette aufeinanderfolgender, identischer Ereignisse
aufgefasst wird, also der imparfait zu verwenden
ist. Unter Umständen unterliegt der Autor jetzt
einem Prozess der Autosuggestion, aber wahrscheinlich
gibt es in diesem Fall auch im Deutschen eine Präferenz
für den Imperfekt.
Auch hier weist der Duden auf einen interessanten
Aspekt hin, allerdings sind die Schlüsse, die
gezogen werden, falsch.
Das Perfekt begegnet auch
in allgemeingültigen Aussagen:
Ein Unglück ist schnell geschehen. Wie schnell
hat man nicht den Stab über einen Menschen
gebrochen! Wenn der Pfeil die Sehne des Bogens verlassen
hat, so fliegt er seine Bahn (W.Heisenberg).
Hier zielt das Perfekt auf den wiederkehrenden Abschluß
oder Vollzug einer Handlung. Diese Verwendung kommt
sehr selten vor."
Duden, Die Grammatik, Mannheim 1995, Seite 149
Falsch bzw. missverständlich formuliert ist die Aussage, dass hier das Perfekt auf den wiederkehrenden Abschluss einer Handlung abziele, genau das tut es nämlich nicht.
Man betrachte diese beiden Sätze.
a) Wenn der Pfeil die Sehne des Bogens verlassen hat, so fliegt er seine Bahn.
b) Wenn der Pfeil die Sehne des Bogens verließ, so flog er seine Bahn.
Das Perfekt im Satz a) betont eben gerade nicht,
das Wiederkehrende des Vorganges, sondern ganz im
Gegenteil, es fasst den Vorgang zusammen, formuliert
ihn als Gesetz.
Bei b), im Imperfekt, wird auf das Wiederkehrende
des Vorganges abgestellt, es wird kein Gesetz formuliert,
es wird nicht behauptet, dass es immer so ist, es
wird nur behauptet, dass es sich wiederholt ereignet
hat. Wir sehen also, dass in kritischen, bedeutungsrelevanten
Zusammenhängen, auch das deutsche Imperfekt
die regelmäßige Wiederholung eines Vorganges
betont. Das Problem ist nur, dass das Deutsche nur
in kritischen Situationen diese Funktion ausnützt,
bei allen anderen Situationen ist es eher eine Frage
des Geschmacks.