8.2.2.7.2.1 Auch der deutsche Konjunktiv II ist durch die Subjektivität motiviert

Wie wir festgestellt haben, finden wir den Konjunktiv auch in Situationen, die wir durch die Irrealität des geschilderten Vorganges nicht erklären können. Wir können aber im Gegenzug zeigen, dass der Indikativ nicht möglich ist, wenn das einleitende Verb auf die Subjektivität des Geschilderten verweist und in einer Vergangenheitszeit steht. Es muss dann der Konjunktiv II verwendet werden, der, zumindest wenn das Verb in einer Vergangenheitszeit steht, dem Französischen subjonctif ähnelt.

Beispiele
falsch: Ich dachte, er kam und tatsächlich kam er.
richtig: Ich dachte, er käme und tatsächlich kam er.
falsch: Ich fürchtete, dass er mich das fragte, aber er fragte mich nicht danach.
richtig: Ich fürchtete, dass er mich das fragen würde, aber er fragte mich nicht danach.
falsch: Ich hoffte, dass ich die Prüfung bestand, aber ich bin durchgefallen.
richtig: Ich hoffte, dass ich die Prüfung bestehen würde, aber ich bin durchgefallen.
falsch: Ich nahm an, dass er es wusste, aber er konnte mir auch keine Antwort geben.
richtig: Ich nahm an, dass er es wüsste, aber er konnte mir auch keine Antwort geben.
richtig: Ich nahm an, dass er es wissen würde, aber er konnte mir auch keine Antwort geben.

Es wäre nun konsequent, dasselbe Schema, wie dies die romanischen Sprachen tun, auch dann anzuwenden, wenn das einleitende Verb der subjektiven Wahrnehmung im Präsens steht. So konsequent ist das Deutsche dann aber nicht. Steht das Verb im Präsens, folgt der Indikativ.

Beispiele
falsch: Ich denke, er komme.
richtig: Ich denke, er kommt.
falsch: Ich fürchte, dass er mich das frage.
richtig: Ich fürchte, dass er mich das fragt.
falsch: Ich nehme an, dass er es wisse.
richtig: Ich nehme an, dass er es weiß.

Warum das Deutsche den Ansatz mit dem Konjunktiv nicht konsequent umsetzt, ist ein Rätsel. Man kann aus rein logischer Sicht nicht nachvollziehen, warum der Konjunktiv I in seiner Funktion den geschilderten Ereignissen eine subjektive Färbung zu geben, auf die indirekte Rede beschränkt ist. Warum im Imperfekt die Verwendung des Konjunktivs II plötzlich zwingend notwendig ist, könnte durch die Tatsache erklärt werden, dass in diesem Fall die Irrealität häufig vorkommt, die Sprecher sich sozusagen daran gewöhnt haben und ihn dann auch auf Ereignisse übertragen, die sich real ereignet haben. Eigentlich beschreibt der Konjunktiv II hier irreale Zusammenhänge, seine Funktion wurde dann aber aus Gewohnheit erweitert.

Beispiele
Ich dachte, er wüsste es.
=> Suggeriert: Er hat es nicht gewusst.
Ich dachte mir schon, dass er es wüsste und tatsächlich wusste er es.
=> Funktioniert aber auch in realen Zusammenhängen.
Ich hoffte, dass er käme.
=> Suggeriert: Er kam nicht.
Ich hoffte, dass er käme, und tatsächlich kam er.
=> Funktioniert aber auch in realen Zusammenhängen.

Wie dem auch immer sei. Wir sehen auf jeden Fall, dass der deutsche Konjunktiv wie auch der französische subjonctif nach Verben des Fürchtens, Hoffens, Forderns etc. stehen kann, auch wenn wir, was das Deutsche angeht, nicht wirklich von einem in sich geschlossenen System sprechen können. Ursprünglich kann der Konjunktion II im Deutschen wohl keine Subjektivität ausdrücken, die Tatsache, dass er es tut, ist wohl aus systematischer Sicht ein Irrtum, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass er es heute tut. Dass der Konjunktiv primär auf die Irrealität abzielt und nicht auf emotionale Einstellung, lässt sich auch noch anders nachweisen. Man vergleiche diese beiden Sätze.

Beispiele
Ich hoffte, dass er käme.
Ich bedauerte, dass er kam.

Hoffen beinhaltet die Möglichkeit der Nichtrealisierung und die Möglichkeit der Nichtrealisierung gibt den Ausschlag für den Konjunktiv. Bedauern beinhaltet die Möglichkeit der Nichtrealisierung nicht, und folglich kann auch der Konjunktiv nicht stehen. Wir haben also Ähnlichkeiten zu den romanischen Sprachen nur bei Verben wie fürchten und hoffen, die einerseits auf eine emotionale Einstellung verweisen, das ist für die romanischen Sprachen der entscheidende Punkt und andererseits auch die Möglichkeit der Nichtrealisierung andeuten, das ist für das Deutsche entscheidend. Die Tatsache also, dass der deutsche Konjunktiv ab und an dem Konjunktiv der romanischen Sprachen ähnelt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich in ihrer Grundfunktion fundamental unterscheiden.



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