7.1.6 Das Plusquamperfekt und das plus-que-parfait

Das Plusquamperfekt beschreibt wie das plus-que-parfait eine Vorvergangenheit. Es stellt sich nun natürlich die Frage, was die Vorvergangenheit eigentlich ist. Durchgängig in allen Grammatiken aller Sprachen wird die Vorvergangenheit so definiert, dass es ein Zeitraum vor einem anderen Zeitraum der Vergangenheit ist. Sie können, wie wir gleich sehen werden, diese Definition zu Ihrer Liste populärer Irrtümer hinzufügen. Schauen wir uns mal diesen Satz an.

Beispiel
Er aß einen Apfelstrudel mit viel Schlagsahne, stieg ins Wasser und ertrank.

Es ist nun wohl ziemlich klar, dass das Apfelstrudel Essen vor dem Ertrinken stattgefunden hat, wir haben aber einen schlichten Imperfekt und sehen auch überhaupt nicht ein, warum wir ein Plusquamperfekt verwenden sollten. Daraus folgt also, exempla statut, dass allein die Vorzeitigkeit das Plusquamperfekt nicht erzwingt. Was erzwingt also den Plusquamperfekt?

1) Der Plusquamperfekt muss stehen, wenn die Handlungen nicht in der chronologischen Reihenfolge erzählt werden
a) Sie wußten nicht mehr, wo sie waren, sie waren zwei Stunden im Kreis herumgelaufen.
b) Sie wußten nicht mehr, wo sie waren, sie liefen zwei Stunden im Kreis herum.


Hier muss die semantische Stärke des Plusquamperfektes ausgenutzt werden. Unter semantischer Stärke verstehen wir die Tatsache, dass das Plusquamperfekt tatsächlich etwas Inhaltliches, nämlich Vorzeitigkeit, ausdrücken kann. Es kann also die Tatsache, dass die Ereignisse entgegen der chronologischen Reihenfolge berichtet werden, korrigieren. Es ist wohl jedem klar, dass a) und b) nicht das gleiche bedeuten. Bei b) wussten sie nicht mehr wo sie waren und liefen dann zwei Stunden im Kreis herum. Bei a) liefen sie zuerst zwei Stunden im Kreis herum, bis die Verwirrung komplett war. Anderes Beispiel:

Er konnte nicht bezahlen, er hatte seinen Geldbeutel verloren.
nicht: Er konnte nicht bezahlen, er verlor seinen Geldbeutel.

2) Der Plusquamperfekt muss stehen, wenn die eine Handlung die logische Konsequenz der anderen Handlung ist
a) Sein Auto war kaputt gegangen, so dass er es stehen lassen musste.
b) Sein Auto ging kaputt, so dass er es stehen lassen musste.

Hier werden die Ereignisse zwar in der chronologisch richtigen Reihenfolge dargestellt, aber das Imperfekt kann nicht stehen. Das ist eigentlich interessant, weil man sich fragen kann, warum es eigentlich nicht stehen kann. Wie oben bereits diskutiert, hat das Imperfekt im Deutschen (im Gegensatz zum Französischen) zwei Funktionen: Es drückt das Aufeinanderfolgen von Handlungen aus und die Parallelität von Handlungen. Die zweite Funktion wird eliminiert, wenn ein Vorverständnis des Alltags es nicht erlaubt, die Ereignisse als parallel verlaufend aufzufassen. Das ist hier aber nicht der Fall, so dass latent der Imperfekt auch die Parallelität ausdrückt, was ja aber wiederum logisch überhaupt keinen Sinn macht, so dass wir eine Zeit wählen müssen, die die Vorzeitigkeit eindeutig ausdrückt.



3) Der Plusquamperfekt muss stehen, wenn es sich um eine vollendete Handlung in der Vergangenheit handelt, und die Tatsache, dass die Handlung abgeschlossen ist, ein wesentlicher Bestandteil der Aussage ist.
a) Er hatte den Brief schon geschrieben, aber er schickte ihn nicht ab.
b) Er schrieb den Brief schon, aber er schickte ihn nicht ab.

4) Das Plusquamperfekt steht, wenn es wesentlich darauf ankommt, dass eine Handlung in der Vorvergangenheit abgeschlossen war, bevor eine andere Handlung einsetzte.
a) Er hatte das Buch nicht gelesen, redete aber darüber, als ob er es gelesen hätte.
b) Er las das Buch nicht, redete aber darüber, als ob er es gelesen hätte.

Die Fälle 3) und 4) sind im Grunde sehr ähnlich. Hier kann das Plusquamperfekt nicht durch das Imperfekt ersetzt werden, weil es auf die Vollendung der Handlung wesentlich ankommt. Das Imperfekt suggeriert eine Gleichzeitigkeit, die aber aus logischen Gründen ausgeschlossen ist, bzw. der Sinn wird verändert. Bei a) haben wir Leute, die in einem Café sitzen und sich über ein Buch erhalten, dass alle gelesen haben, bis auf einen, der aber wiederum darüber redete, als ob es gelesen hätte. Bei b) haben wir z.B. eine Situation, wie wir sie in einem Literaturseminar finden können. Über mehrere Monate wird da ein Buch besprochen und an der Diskussion nimmt jemand teil, der das Buch gar nicht liest.



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